Renault Primaquatre KZ6 L 1931

Vom Dachboden geholt

Fahren mit offenem Verdeck macht nicht viel Spaß, die Konstruktion fängt den Wind ein und klappert. André hat in seinem Renault auch Fenster, die an den Türen angebracht werden können.

Ein Rätsel

Dieser Renault Primaquatre Torpedo Commerciale hat wahrscheinlich nur 9.000 km zurückgelegt, bevor er kürzlich wieder zum Leben erweckt wurde. Mehr als dreißig Jahre lang stand er auf dem Dachboden seines jetzigen Besitzers. Doch die wahre Geschichte des Wagens ist ein Rätsel.

Die relativ schmale Karosserie ist ein Problem für zwei Passagiere. André hat das Armaturenbrett neu lackiert.

Torpedo Commerciale

An Patina mangelt es ihm nicht – das ist die erste Schlussfolgerung, wenn man diesen Renault Primaquatre KZ6 Legère sieht, der Ende Juni 1931 gebaut wurde. Es scheint sich um einen sogenannten Torpedo Commerciale zu handeln, erkennbar an der Heckklappe und dem Reserverad auf dem rechten vorderen Kotflügel.

Der KZ6 wurde übrigens immer nur als Legère ausgeliefert, im Gegensatz zum KZ5, der in den Prospekten als 10 CV geführt wurde und erst ab dem Modelljahr 1932 den Namen Vivaquatre trug. Der KZ6 war der erste 10CV mit der Bezeichnung Primaquatre. Beide Fahrzeuge waren mit dem 2.120 cm³-Vierzylindermotor ausgestattet, der in vielen Renault-Modellen zum Einsatz kam. Dieser Motor hatte 1931 eine Steuerleistung von 11 PS, was im Widerspruch zu dem steht, was der Name vermuten lässt.

Am Heck erkennt man deutlich, dass es sich um einen Commerciale handelt.

Geräumigere Abmessungen

Zwischen dem KZ5 und dem KZ6 gab es zahlreiche Unterschiede. Der erste überragte den zweiten durch deutlich geräumigere Abmessungen. Der KZ5 konnte mit einem Radstand von 3,11 oder 3,35 Metern bestellt werden, der KZ6 musste sich mit 2,65 Metern begnügen. Auch in der Breite war der Unterschied enorm: 1,70 Meter gegenüber 1,45 Meter. Der KZ6 löste in diesem Jahr das Einstiegsmodell ab. Dennoch konnte der Kunde aus einer Reihe von Karosserievarianten wählen: Torpédo (Commerciale), Conduite Intérieur (Commerciale), Conduite Intérieur Luxe und ein Faux-Cabriolet, auch Arzt-Coupé genannt. Tatsächlich handelt es sich bei diesem KZ6 um einen Monasix mit 4-Zylinder-Motor.

Von außen erkennt man sofort, dass es sich bei André Houtmans grünem Wagen um die Version mit kurzem Radstand und schmaler Karosserie handelt. Das bestätigt auch das ovale Nummernschild mit der Aufschrift KZ6 L. Auf dem linken vorderen Kotflügel befindet sich die bekannte ovale Kupferplakette mit der Karosserienummer, die belegt, dass das gesamte Fahrzeug bei Renault in Billancourt gebaut wurde.

Kurzer Radstand

Das Heck ist eine andere Geschichte. In Broschüren und Büchern wird der Torpédo Commerciale nur mit einer Länge von 3,70 Metern angegeben. Der kurze Radstand des Wagens entspricht dieser Angabe, aber man sieht deutlich, dass das Heck der Karosserie verlängert wurde. Zweifellos geschah das, um mehr Beinfreiheit oder Laderaum zu gewinnen. Die Version mit verlängertem Heck taucht nirgendwo in den Prospekten oder Pressefotos auf. Möglicherweise handelt es sich um eine Sonderbestellung.

André: „Fast alles am Auto war grün lackiert, sogar Chromteile wie die Außentürgriffe. Das hat mich immer an eine militärische Verwendung des Wagens denken lassen. Die Rückbank war ganz hinten, so dass die Passagiere viel Beinfreiheit hatten. Mir ist auch aufgefallen, dass die hinteren Innentüren keine Griffe zum Öffnen haben. Ich stelle mir vor, dass das Auto oft von einem Chauffeur gefahren wurde."

"Mein Sohn schenkte mir eine neue Zündspule, die ich sofort einbaute. Der Motor sprang einmal an, dann aber nicht mehr. Die originale Zündspule von 1931 funktioniert einwandfrei."

Es erscheint logischer, dass der Torpédo Commerciale aufgrund seines Nutzfahrzeugcharakters nie innere Türgriffe hatte.

Und dann gibt es noch eine Reihe mysteriöser Aufkleber, die bei diesem Auto eine Rolle spielen. Es handelt sich um eine Art Etikett, auf dem mit einer Schreibmaschine Text geschrieben wurde. Die Aufkleber stammen von einer Organisation, die unter anderem medizinische Hilfe in Entwicklungsländern leistet. Auf den Aufklebern steht Accra, die Hauptstadt von Ghana. Aber es kann nicht sein, dass Andrés Auto an die französische Armee in Ghana geliefert wurde, weil dieses Land nie eine französische Kolonie war und die Armee nie einen Fuß dorthin gesetzt hat.

André kam etwa 1985 in den Besitz des Wagens, hatte aber keine Zeit, sich sofort an die Arbeit zu machen. Erst 35 Jahre später holte er den Renault mit einem Gabelstapler vom Dachboden. Die Karosserie wurde vom Fahrgestell getrennt. „Zuerst habe ich die von Holzwürmern zerfressenen Holzbalken ersetzt. Dann habe ich den Rahmen der Windschutzscheibe wieder montiert, gefolgt von der Trennwand, an der die Rückenlehne des Vordersitzes anliegt. Ich entfernte das Blech, das noch in gutem Zustand war und die Originallackierung aufwies. Auch die alten Nägel habe ich sorgfältig aufbewahrt und für die Wiederverwendung gereinigt. Alle schlechten Holzteile habe ich konsequent ersetzt“.

Kilometerstand

„Viele Teile aus Zinkguss waren nicht mehr zu gebrauchen, also musste ich eigene Teile anfertigen. Ich fand einen Kilometerstand von etwa 9.000 vor, was sich bestätigte, als ich den Motor öffnete. Alle beweglichen Teile im Auto haben praktisch kein Spiel. Um die Geschichte meines Wagens so weit wie möglich zu erhalten, habe ich so weit wie möglich Originalmaterialien verwendet. Eine nette Anekdote: Mein Sohn schenkte mir eine neue Zündspule, die ich sofort einbaute. Der Motor sprang einmal an, dann aber nicht mehr. Die originale Zündspule von 1931 funktioniert einwandfrei.

André legt großen Wert darauf, dass ein Auto mit den richtigen Schrauben zusammengebaut wird. Wenn es die nicht mehr gibt, stellt er sie selbst her. Darin ist er sehr gut.

Von der Innenausstattung und dem Verdeck war nicht mehr viel übrig. Das schwarze Leder oder Kunstleder war völlig zerfressen und die Reste des Verdecks verrieten nicht einmal mehr die Originalfarbe. André: „Durch seine Arbeit fand mein Sohn ein altes Ledersofa mit passenden Sesseln, die in Material und Farbe perfekt zum Grün des Primaquatre passten. Da es sich um große Möbelstücke handelte, hatte ich genug Leder, um den gesamten Innenraum damit auszustatten. Der nächste Schritt war die Wahl der Farbe des Verdecks. Ich entschied mich für Beige. Die ursprüngliche Form, die nach hinten steil ansteigt, um mehr Kopffreiheit zu bieten, wurde beibehalten."

Das Leder stammt von einem alten Sofa.

Hinter der Typenbezeichnung eines KZ6 steht immer der Buchstabe L. Der Kraftstofftank befindet sich oben auf der Spritzwand, mit einem Einfülldeckel unter einem der Luftventile.

Ohne Papiere

Das Auto hat jetzt ein Nummernschild, aber trotz seines Alters musste es einer kompletten Fahrzeuginspektion unterzogen werden. Dies ist darauf zurückzuführen, dass der Primaquatre beim Kauf ohne Papiere geliefert wurde und auch die Rautenplakette mit der Fahrgestellnummer fehlte. Die RDW (niederländische Straßenverkehrsbehörde) hat dem Renault eine neue Fahrgestellnummer gegeben.

Die ersten Kilometer fährt André vorsichtig. Das Auto muss wirklich eingefahren werden, die Bremsen müssen noch eingestellt werden und Motor und Getriebe müssen sich an ihr neues Leben gewöhnen. Das Einlegen der nicht synchronisierten Gänge erfordert einige Aufmerksamkeit. André erwartet, dass das Dreiganggetriebe mit einem anderen Öl reibungsloser läuft. Es ist eine Freude, den Primaquatre wieder in Aktion zu sehen.

Die Produktion des Renault KZ6 L begann im Dezember 1930 und dauerte bis Oktober 1931, als die letzten drei Fahrzeuge vom Band liefen. Insgesamt wurden 11.306 Fahrzeuge dieses Typs gebaut, womit er 1931 das mit Abstand meistproduzierte Modell von Renault war.

Der 2,1-Liter-Vierzylinder ist von der zuverlässigen Sorte.

En détail…


Renault Primaquatre KZ6 L


Motor:

Typ 343, 4 Zylinder, Benzin, Bohrung x Hub 75 x 120 mm, Hubraum 2.120 cm3. Leistung 35 PS bei 2.900 U/min, elektrische Anlage 6 Volt. Steuerleistung: 11 PS.

Getriebe:

Schaltgetriebe mit 3 Vorwärtsgängen und 1 Rückwärtsgang, völlig unsynchronisiert, Übersetzungsverhältnisse: 1. Gang - 14/26 x 14/26, 2. Gang - 14/26 x 20/20, 3. Gang - 1,00, Rückwärtsgang - 14/26 x 14/26. Radaufhängung:

Vorne: zwei Längsblattfedern, hinten: eine Querblattfeder, vier getrennt einstellbare Reibungsstoßdämpfer.

Bremsen:

Trommelbremsen mit Seilzugbetätigung an allen Rädern. Handbremse auf den Hinterrädern.

Fahrleistungen:

Höchstgeschwindigkeit 105 km/h.

Abmessungen/Gewicht:

Länge 3,70 Meter, Breite 1,45 Meter, Höhe nicht bekannt, Radstand 2,65 Meter. Spurweite vorn/hinten 1,30 Meter. Gewicht: 1.450 kg.