Die PR-Abteilung von Renault zerbricht sich regelmäßig den Kopf, an welchem Ort ein neues Modell eingeführt werden soll. Selten ergreift der Importeur die Initiative. So geschehen Anfang 1976, als die neue Renault 4 Safari im finnischen Lahti der Presse vorgestellt wurde. Doch die Wahl des hohen Nordens ist nicht grundlos.
Texte: Tony Vos - Fotos: Renault Netherland
Foto: Eine Renault 4 Safari entlang der Strecke der alternativen Elfstedentocht 1976. Wenngleich die Teilnehmer auch keine Fans und Gebäude zu sehen bekamen, war der Hauptpreis ein zusätzlicher Anreiz.
Lahti liegt im Süden Finnlands, nordöstlich der Hauptstadt Helsinki. Die Stadt hat rund 120.000 Einwohner und liegt am Fuße des riesigen Vesyärvi-Sees. Auf ihm werden seit langem Langstreckenwettbewerbe im Eiskunstlauf ausgetragen. So auch 1976, als rund 200 niederländische Eiskunstläufer zur alternativen Elfstedentocht an den See kamen. Die 200 Kilometer lange Strecke und die rauen Bedingungen dieser Veranstaltung ähneln sehr dem friesischen Klassiker. Aber das Fehlen von jubelnden Menschenmassen und der Anblick der charakteristischen Gebäude der friesischen Städte schaffen eine ganz andere Atmosphäre.
Der Grund für die Organisation der alternativen Elfstedentocht liegt auf der Hand. Nach dem strengen Winter und dem damit verbundenen Schlittschuhklassiker im Jahr 1963 wollte das Winterwetter in den Niederlanden nicht so recht mitspielen. Also machte man sich auf die Suche nach ausländischem Eis, auf dem man wenigstens die richtige Strecke laufen konnte. Der Austragungsort wechselt von Jahr zu Jahr, so dass 1976 Lahti der Schauplatz des Gänsehautmoments ist.
Am Samstag, dem 31. Januar desselben Jahres, findet der Lauf statt. Jan Roelof Kruithof, Architekt aus Havelte, überquert die Ziellinie als Sieger. Er war zwischen 1974 und 1991 sehr erfolgreich und gewann das Rennen 11 Mal.
Beim Start zeigt das Thermometer kühle minus 23 Grad, die sich im Laufe des Tages auf etwas angenehmere minus 11 Grad erwärmen. Das Eis ist nicht ideal, was von den Teilnehmern höchste Konzentration verlangt. 1976 gab es neben dem Pokal als zusätzlichen Hauptpreis eine nagelneue Renault 4 Safari. Deshalb beschloss Renault Niederlande, die alternative Elfstedentocht mit der nationalen Pressevorstellung dieser neuen Variante des beliebten Renault 4 zu verbinden.
Foto: Fünf in den Niederlanden zugelassene Renault 4 Safari bei der Pressevorstellung am 30. Januar 1976. Es ist von acht Fahrzeugen die Rede, aber dazu kommen noch Begleitfahrzeuge wie ein grauer Renault 30 TS.
Da die finnische Fluggesellschaft Finnair Sponsor des Eislaufevents ist, sorgt sie auch für den Transport der Autos nach Helsinki. In der Ausgabe Nr. 2 von 1976 berichtet die Renault Revue über acht Fahrzeuge, die an der Veranstaltung teilnehmen werden. Auf den Fotos sind fünf verschiedene Fahrzeuge zu sehen. Zwei türkisblaue, zwei grüne und eine beigefarbene Safari.
Die Journalisten wurden zwei Tage vor der Veranstaltung bequem mit einem Linienflugzeug nach Helsinki gebracht. Die Renault 4 waren schon etwas früher eingetroffen. Im PR-Archiv von Renault Niederlande sind Bilder vom Entladen der bunten Safaris aufgetaucht, die sehr stimmungsvoll sind. Der Wind spielt mit dem gefallenen Schnee. Mit großem Gerät wird ein Auto nach dem anderen entladen. Natürlich sind alle mit Spikereifen ausgestattet, denn nur so kann man sich auf den stark verschneiten Straßen und der markierten Strecke auf dem See fortbewegen.
Fotos: Mit seinen finnischen Spikereifen kennt sich die Renault 4 Safari auf verschneiten Straßen und zugefrorenen Seen aus. Hier steht eine türkisfarbene vor einer Skisprungschanze bei Lathi. Heute stehen drei dieser Konstruktionen nebeneinander.
Ihre ersten finnischen Kilometer legen die Autos auf der Strecke vom Flughafen der Hauptstadt nach Lahti zurück. Nicht auf einer sauberen Asphaltstraße, sondern auf einer schönen Abkürzung vorbei an verschneiten Dörfern auf kleinen Waldwegen. Der Tross der Safaris legt die vorgegebene Strecke problemlos zurück, bevor er in Lahti eintrifft, um noch einige Eiskilometer auf dem See zurückzulegen. Die Spikereifen sorgen für eine gute Bodenhaftung, so dass kein Schlittern entsteht.
Die Journalisten lassen sich von den niedrigen Temperaturen nicht abschrecken. Sie sitzen in beheizten Autos und übernachten auch in Hotels, in denen die Heizungen aufgedreht sind. Gerard van Lennep berichtet in der Renault Revue.
"Ich habe nicht am Rennen teilgenommen, aber ich habe einiges davon gesehen. Vor dem Fernseher, in einem dicken Pullover, in einem Sessel. Mit einem Kaffee in der Hand. Also für uns ganz erträglich. Aber diese armen Teilnehmer, was haben diese für einen Ehrgeiz. Wenn es einen masochistischen Sport gibt, dann ist es ein Eislauf-Marathon in Finnland. Auf so einem riesigen See, 48 km hin - 48 km zurück. Und das zweimal."
Die Renault-Fahrer von damals erzählten sich, dass der Gewinner Jan Roelof Kruithof mit gefrorenem Bart sofort in die Safari stieg und seinen Preis direkt seiner Frau schenkte, die ihn all die Jahre bei seinem Eislaufhobby unterstützt hatte.
Gerard van Lennep war bei Renault kein Unbekannter. Er bestritt bereits die Rallye Monte Carlo mit einem Renault 16 und stellte in Zandvoort einen 12-Stunden-Rekord auf. Im Artikel der Renault Revue erklärt er daher zunächst seine nicht ganz unvoreingenommene Haltung gegenüber Renault, bevor er die Renault 4 Safari lobt.
"Ich muss gestehen, dass ich sie noch nie bei 29 Grad unter Null gefahren bin. Die Autos haben über Nacht draußen gestanden und sind am nächsten Morgen sofort losgefahren. Das wollte man doch hören, oder? Und wenn man die Heizung voll aufdrehte - vielleicht hatten sie eine extra starke eingebaut, ich weiß es nicht - dann musste man das Fenster fast aufmachen. Also, das stimmte auch."
"Die Handhabung ließ wenig zu wünschen übrig", fährt Van Lennep fort. "Vor allem, wenn man Nokia(n) Hakkapeliitaa darunter hängt, voll mit Nägeln. Dann kann man auf Eis genauso schnell fahren wie bei trockenem Wetter auf dem Afsluitdijk. Vielleicht sogar schneller. Zum Glück fährt in Finnland nicht jeder Auto, so dass das Ausprobieren kein Problem ist, und auf den kleinen Straßen begegnet man überhaupt keinem Hund. Ab und zu ein Milchwagen. Hier in den Niederlanden habe ich ein größeres Auto, aber jedes Mal, wenn ich in einem 4er oder 5er sitze, denke ich: Du musst verrückt sein mit so einem großen Ding. Nimm doch einen von diesen problemlosen, sparsamen Kleinen...".
Renault will mit der Safari eine junge Zielgruppe ansprechen. Deshalb sind die meisten Farben fröhlich und spezifisch nur für die Safari. Eine Ausnahme bildet Beige (Daim 111). Türkis 411 und Grün 946 passen besser. Für das Modelljahr 1978 wurde das Grün durch Orange Andalou 318 ersetzt.
Äußerlich ist die 4 Safari leicht an den schwarzen Stoßstangen und den spezifischen schwarzen Schutzplanken und dem schwarzen Zierband an den Flanken zu erkennen. Ebenfalls von außen erkennbar sind die schwarzen Außenspiegel, die schwarzen Türgriffe und der Heckklappenöffner. Sogar die Scheibenwischerarme sind komplett schwarz und die Fensterrahmen haben keine Chromverzierungen.
Wesentlich mehr Aufmerksamkeit zieht der Innenraum auf sich. Besonders auffällig sind die hellgrauen Kopfstützen, die fest mit den Rückenlehnen der Sitze verbunden sind. Sehr fröhlich wirkt der verwendete Stoff mit grün/gelben, türkisen und dunkelblauen Streifen, der so genannte Bayadère-Stoff. Als für das Modelljahr 1978 die Farbe Orange das bisherige Grün ablöste, stattete Renault die Sitze des Safari mit einem orange-braun gestreiften Stoff aus. Die verstellbaren Rückenlehnen gehören zur Sonderausstattung.
Selbst die Türtablagefächer sind in der ersten Serie dunkelblau. Das gleiche Material wie die Kopfstützen kommt auch an der Vorderseite der Fahrgastsitze zum Einsatz: glänzendes, hellgraues Kunstleder. Ein weiteres Merkmal ist das vom Renault 5 TS übernommene Lenkrad. Ein witziges Accessoire ist eine große Halterung auf dem Armaturenbrett in Höhe des Schalthebels. Praktisch, um eine Reiseroute, eine Straßenkarte oder eine Einkaufsliste zu befestigen.
Technisch gesehen gibt es zwei Varianten der 4 Safari. In Ländern, in denen die Steuer teilweise nach Hubraum berechnet wird, verwendet Renault den 4-Zylinder mit 782 cm³ (R1126). In allen anderen Ländern ist die 845-cm³-Version (R1123) die erste Wahl. Der erste Motor leistet 27 PS, der zweite mit 34 PS etwas mehr. Wichtiger ist der Unterschied im Drehmoment: 51 bis 59 Nm.
Auch wenn die 4 Safari manchmal als Action-Modell bezeichnet wird, ist das nicht gerechtfertigt. Nach seiner Präsentation auf dem Pariser Autosalon im Herbst 1975 wurde diese farbenfrohe und trendige Version auch in den Modelljahren 1976, 1977 und 1978 angeboten.
Heute ist ein Renault 4 Safari sehr selten und schwer zu finden. Was die Teile betrifft, so sind vor allem die Polsterstoffe und die Kunststoff-Schutzleisten an den Flanken gesucht.
En detail..
Renault 4 Safari 1976 (R1126/R1123)
Motor:
Typ 839-06/800-05, Reihen-Vierzylinder, Hubraum 782/845 cm³, Bohrung x Hub 55,8/58 x 80 mm, Verdichtung 8,5/8:1, Vergaser Zenith 28IF/Solex 32 EISA, Leistung 27/34 PS (DIN) bei 5.000 U/min, Drehmoment (DIN) 51/58 Nm bei 2.500 U/min. Elektrische Anlage 12 Volt.
Getriebe:
Typ 354, 4-Gang-Getriebe, vollsynchronisiert. Übersetzung: 1. 3.667, 2. 2.235, 3. 1.458, 4. 1.034, Rückwärtsgang 3.231. Bereifung: vorn/hinten 135 SR 13, Reserverad unter dem Gepäckraumboden. Federung: Drehstabfedern längs vorn, Drehstabfedern quer hinten, hydraulische Stoßdämpfer. Höchstgeschwindigkeit: 120 km/h.
Abmessungen:
Länge 3.668 mm, Breite 1.486 mm, Höhe 1.550 mm (unbeladen), Radstand 2.401/2.449 mm, Spurweite (vorn/hinten) 1.280/1.244 mm, Wendekreis 9,74 Meter (zwischen Bordsteinen). Tankinhalt 34 Liter, Kofferraum 295/1.185 Liter. Leergewicht 695 kg.