Foto : Amédée Gordini
Am 19. Juli 1970 fand auf der Rennstrecke von Le Castellet unter der Sonne Südfrankreichs ein besonderes Ereignis statt: der Jour G. Bei den berühmten Gordini-Cup-Rennen trat der brandneue 12 Gordini die Nachfolge des verehrten 8 Gordini an.
Die Präsentation des Renault 12 Gordini sollte etwas Besonderes werden. Keine langweilige Enthüllung, sondern ein Fest für Gordini und die vielen begeisterten Gordinisten. Nicht ganz zufällig wurde dafür das Wochenende vom 18. und 19. Juli 1970 gewählt. An diesen Tagen sind Rennen für das Coupe R8 Gordini auf der berühmten Rennstrecke von Le Castellet geplant. Die Wetteraussichten sind gut, und die Rennstrecke verfügt über genügend Kapazität, um die zahlreichen Besucherinnen und Besucher mit ihren Autos aufzunehmen. Eine Woche zuvor findet in Magny-Cours ebenfalls ein Rennen im gleichen Rahmen statt, allerdings ist diese Strecke aus Platzgründen nicht geeignet. Das erste Rennen danach ist erst für den 20. September angesetzt, zu spät für die Präsentation eines neuen Autos für das Modelljahr 1971.
Auf keinen Fall sollte es ein Rennen zwischen Neu und Alt werden. Tatsächlich haben Tests gezeigt, dass der neue Renault 12 Gordini trotz einer Leistungssteigerung von 22 SAE-PS auf der Rennstrecke nicht schneller ist als sein Vorgänger, weil es ihm an Agilität mangelt. Genau aus diesem Grund sind die Fans des R8 Gordini vom Produktionsstopp ihres Lieblingsmodells betroffen.
Es ist geplant, während der Veranstaltung kurze Rennen mit dem 8 und dem 12 Gordini zu fahren. Und natürlich soll der Newcomer gewinnen. Es ist aber unrealistisch, von den jeweiligen Fahrern des 8 Gordini zu verlangen, dass sie sich vom neuen Modell fernhalten. Die neuen Autos müssen natürlich in der Öffentlichkeit überlegen wirken. Das schafft Renault selbst nicht, und der Zeitdruck ist enorm. Die Vorserienfahrzeuge sind in der guten Obhut von Alpine in Dieppe. Das Urteil fällt realistisch, aber hart aus. Der Renault 12 Gordini kann in dieser Version nicht mit dem 8 Gordini mithalten, geschweige denn kann dieser Fronttriebler seinen Vorgänger in Le Castellet schlagen. Probleme gibt es vor allem mit der Vorderradaufhängung, die zu viel Untersteuern verursacht. Außerdem kann das Auto die Leistung nicht richtig auf die Straße bringen. Tatsächlich hat Renault den 12 Gordini mit einem bescheidenen Budget entwickelt und so viele Teile wie möglich identisch mit dem Serienmodell belassen. Kein guter Start also für das neue Auto.
Die von Alpine vorgeschlagenen Eingriffe gehen Renault viel zu weit. Trotzdem wird beschlossen, den Sturz der Hinterräder anzupassen. Die Räder werden etwas steiler gestellt. Außerdem werden steifere und etwas kürzere Federn eingebaut.
Dadurch wird das Untersteuern reduziert und das Übersteuern erleichtert. Renault passt die Bremskraftverteilung an, weil das innere Rad beim Bremsen in Kurven zum Blockieren neigt. Die niedrigeren Federn helfen diesem Rad zwar, mehr Grip zu behalten, aber die oben erwähnte Anpassung ist notwendig, um das Blockieren weiter zu reduzieren. Auf der Motorenseite gibt es für den Jour G, wie das Wochenende genannt wird, keine Änderungen. Die Motoren werden jedoch speziell für diese Veranstaltung ausgewählt. Passenderweise werden 12 Vorserienmotoren dieses Typs in Alpine vorbereitet.
Am Vorabend der eigentlichen Veranstaltung kommen fünftausend Gäste nach Le Castellet. An alles ist gedacht: Duschen und Toiletten in zwei großen Zelten, blaue Luftmatratzen mit weißen Streifen für alle, die im Zelt schlafen. Außerdem werden bunte Sonnenschirme, T-Shirts und eine 45-RPM-Single an die Besucher verteilt. Bei Einbruch der Dunkelheit tauchen spontan etwa 100 Gordinis auf der Strecke auf und drehen etwa zehn Minuten lang ihre Runden mit eingeschalteten Lichtern. Leider kippt danach die Stimmung und viele Gäste verhalten sich nicht so, wie man es erwarten würde. Der Platz rund um den Grill musste am nächsten Morgen mit Bulldozern geräumt werden.
Am nächsten Morgen tauchen noch mehr Gäste auf, die glücklicherweise nichts von dem oben genannten erlebt haben. Die meisten kommen in ihren R8 Gordini. Insgesamt sind es schätzungsweise zwischen 2.000 und 2.200. Dazu kommen eine Reihe von Dauphines 1093 und Alpines A110. Die Zahl der Besucher liegt nach Angaben der Organisatoren zwischen 6.000 und 10.000.
Das Vormittagsprogramm beginnt mit mehreren Rennen, an denen die Alpine berlinettes, die Formula France und der Coupe Renault 8 Gordini teilnehmen. Danach folgt die Präsentation des Renault 12 Gordini, für die Amédée Gordini persönlich an die Rennstrecke gekommen ist. Zehn bekannte Fahrer, darunter Vinatier, Serpaggi, Beltoise und Ickx, wurden zu diesem Zweck teilweise vom britischen Grand Prix eingeflogen. Der Wettkampf zwischen Alt und Neu bringt keinen klaren Sieger hervor. Die 8 und die 12 scheinen gleichauf zu liegen. Die Zuschauer sind nicht restlos begeistert. Sie fragen sich, ob die Autos nicht speziell vorbereitet wurden und ob die Fahrer der 8 Gordini nicht angewiesen wurden, sich zurückzuhalten.
Nach der Präsentation drehen alle anwesenden 8 Gordini einige Runden hinter einigen Exemplaren der 12 Gordini. So viele fahrende 8 Gordini wird es nie wieder geben. Bei guter Fahrt bilden die vier Fahrzeuge nebeneinander einen Stau von etwa 3,3 Kilometern, was ziemlich genau der Gesamtlänge der Rennstrecke entspricht.
Der unangemessene Ausbruch der Gäste am Samstagabend und die Tatsache, dass die 12 Gordini nicht überzeugen konnten, bedeutet, dass der Jour G hauptsächlich ein Fest rund um den Produktionsstopp des R8 Gordini war.