Die makellose, weiße Renault Ondine, die Alain Deloy gehört, fällt sofort auf. Die Ondine stand in den frühen Sechzigern für besonderen Luxus. Um dies herauszufinden, muss man sich jedoch die Details ansehen. Davon gibt es reichlich, sowohl außen als auch im stimmungsvollen, roten Innenraum.
Auf dem Pariser Automobilsalon im Herbst 1960 erweiterte Renault die Palette der äußerst beliebten Dauphine um eine noch reichhaltigere Variante, die Ondine. Der Wagen war sofort in zwei technischen Varianten erhältlich: Ondine und Ondine Gordini. Beide Versionen waren serienmäßig mit einem Viergang-Getriebe ausgestattet. Während das bisherige Dreigang-Getriebe etwa zur gleichen Zeit einen synchronisierten ersten Gang erhielt,konnte selbiger beim Viergang-Getriebe nur im Stillstand oder durch Doppelkuppeln eingelegt werden.
Die Ondine und Ondine Gordini behielten ihre bestehenden R-Nummern bei, die für die Systematik um den Buchstaben A erweitert wurden. So blieb die Ondine bekanntlich R1090 und die Ondine Gordini hatte R1091 auf dem Schild.
Äußerlich ist die Ondine sofort an den neuen Felgen mit Löchern zu erkennen. Diese sind silbergrau lackiert. Die Radkappen sind aus Edelstahl gefertigt und haben eine goldene Verzierung um die zentrale Mutter. Diese Farbe passt zu den Ondine-Schildern auf dem Kotflügel rechts vorne und der Motorhaube. Der Name Renault ist in derselben Farbe und in Großbuchstaben auf dem linken vorderen Kotflügel angebracht. Unter der vorderen Stoßstange wurde damals eine zusätzliche Verstrebung angebracht, um das Fahrzeug zu verstärken und zu verschönern.
Sowohl die Chromleisten, als auch die zusätzlichen Chromleisten um die Regenrinnen blieben der Ondine vorbehalten. Sehr raffiniert sind die Standlichter an den vorderen Kotflügeln. Sie strahlen rundherum weißes Licht aus und sind vorne rot mit der Dauphine-Krone insilber.
Im Modelljahr 1961 verschwanden die Blinker an der C-Säule und runde Blinker unter den Scheinwerfern kamen auf. Sie waren ebenso wie die vorderen und hinteren Fenster in Chrom eingefasst. Auch um das hintere Nummernschild herum wurde Chrom verwendet. Die mittig platzierte Kennzeichenbeleuchtung war ebenfalls mit einem Chromornament versehen. Die hintere Chromstoßstange wurde mit Gummis versehen.
Alain Deloy aus Bruyères kaufte seine Ondine im Jahr 2017. "Ich habe sehr gute Erinnerungen an diese Art von Renault. In den 1950er Jahren tauchten in unserem Dorf Waggons voller Dauphines auf, daran erinnere ich mich noch wie gestern. An den Scheiben dieser Autos waren Aufkleber mit dem Verkaufspreis von 5.940 Franken angebracht. Die Autos wurden in Gruppen von hundert Stück in der Kaserne zwischengelagert. Diese Erinnerung ist immer geblieben."
Aber Alain erinnert sich an noch mehr. "Vor unsere Hochzeit hat meine Frau eine weiße Dauphine gekauft. Ich bin sie selbst gefahren. Ein Vorfall, den ich nie vergessen werde, ist, dass die Klappe für das Reserverad nicht richtig geschlossen war. Das Rad hat während der Fahrt vibriert und schlussendlich bin ich darüber gefahren."
Alain machte sich auf die Suche nach einer Dauphine auf Leboncoin und fand schließlich diese weiße Ondine in der Region Reims. "Leider weiß ich nichts weiter über ihre Geschichte. Der Verkäufer wollte ein Grundstück erwerben und brauchte Geld. Meine erste Fahrt war genau einhundert Meter lang, dann blieb der Motor stehen. Zusammen mit einem Freund holte ich das Auto zwei Wochen später ab. Ich bin mit einem modernen Autohinterher gefahren und hatte Öl auf der Windschutzscheibe. Daraufhin wurde der Motor komplett überprüft. Jetzt, wo ich ihn fahre, kommen all die Erinnerungen wieder hoch. Es ist ein tolles Auto."
Hinter dem Lenkrad sitzend, bemerkt man im Innenraum die besonders luxuriösen Ausstattungen einer Ondine. Das fängt bei den Sitzen an, die über verstellbare Rückenlehnen verfügen. Die Türverkleidungen sind ebenfalls reich verziert und haben sogar Fächer für Landkarten. Das Armaturenbrett ist schwarz, im Gegensatz zum weißen bei der normalen Dauphine. Die Lenksäule mit den Hebeln ist rot, ebenso wie ein Teil des Lenkrads selbst. Dies passt perfekt zu dem roten Kunstleder, das für die Möbel und die Türverkleidungen verwendet wurde.
Der Name Ondine ist auf einem Schild am Armaturenbrett zu lesen. Diese Platte sollteeigentlich entfernt werden, wenn man sich für den Luxus eines Autoradios entschied. Einer der Vorbesitzer ließ es jedoch an seinem Platz und platzierte das originale Sonolor-Radio direkt unter dem Armaturenbrett. Der Gesamtzustand der Innenausstattung lässt vermuten, dass der Kilometerstand von über 71.000 korrekt ist.
Alle zusätzlichen Annehmlichkeiten ändern nichts am Fahrgefühl. Für das Modelljahr 1961 nahm Renault einige technische Änderungen vor, wie den Vergaser der Estafette und die Erhöhung des Verdichtungsverhältnisses. Außerdem waren breitere Bremsbacken, die eine größere Bremsfläche boten, nicht sichtbar.
Leistung und Bremskraft sollten natürlich nicht mit modernen Autos verglichen werden. Der 845 ccm brummt gemütlich hinter der Rückbank. Der Schalthebel des Viergang-Schaltgetriebes hat enorme Schaltwege, aber nach einiger Eingewöhnung fühlen sich Auto und Fahrer in der französischen Landschaft pudelwohl.
En détail...
Renault Ondine R1090A (1961)
Motor:
Typ: 670-01, 4 Zylinder in Reihe, 845 ccm, Bohrung x Hub 58 x 80 mm, Verdichtungsverhältnis 8:1, Vergaser Solex 28 IBT, Leistung (DIN) 30PS (SAE) bei 4.500 U/min, Drehmoment (DIN) 65,7 Nm bei 2.000 U/min. Elektrische Installation 6 Volt / 60/75 Amp/h.
Übertragung:
Typ 318-13, 4-Gang-Getriebe, 2, 3 und 4 synchronisiert. Übersetzungen: 1. - 3,70; 2. - 2,28; 3. - 1,52; 4. - 1,03; Rückwärtsgang 3,70; Endantrieb 4,37.
Aufhängung:
Vorne Einzelradaufhängung, Schraubenfedern, Stabilisator, hinten Einzelradaufhängung, Schraubenfedern. Reifen vorne/hinten 145 x 380 oder 5,5-15 (15 Zoll). Ersatzrad unter dem Kofferraumboden. Bremsen vorne und hinten 228 mm Trommeln. Feststellbremse an beiden Hinterrädern. Stoßdämpfer hydraulisch.
Abmessungen:
Radstand 2.270 mm, Länge 3.961 mm, Breite 1.520 mm, Spurweite (vorn/hinten) 1.250/1.220 mm, Höhe 1.430 mm (leer), Wendekreis 9,10 Meter (zwischen Bürgersteigen). Leergewicht 670 kg, Nutzlast 330 kg, zulässiges Gesamtgewicht 1.000 kg, Motoröl 2,5 Liter, Getriebeöl 1,25 Liter, Kühlsystem 4,6 Liter. Kraftstofftankinhalt 32 Liter, Gepäckraum 200 Liter.
Leistung:
Höchstgeschwindigkeit 115 km/h, Verbrauch 5,7 l/100 km (bei 70 km/h).