Der Renault 8 Gordini sorgte in den 1960er Jahren vor allem in Frankreich und den umliegenden Ländern für offene Münder. Dieses Exemplar fand Ende 1965 seinen Weg in die Vereinigten Staaten und bildet eine eigene Geschichte.
Wim Munsterhuis aus Dalen (1958) schwelgt in warmen Erinnerungen an den Renault 10, den sein Vater 1966 kaufte. Eine erklärbare Wahl, denn Wims Onkel war seit 1962 Renault-Händler. "Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich hinten bei offenem Schiebefenster saß. Wenn wir in den Ferien an Berghängen entlang fuhren, konnte ich das Geräusch des Motors so schön hören, ein Geräusch, das sich tief in mein Gedächtnis eingeprägt hat".
Doch Wims erstes Auto war kein Renault, sondern ein Käfer, den sein Onkel in Zahlung genommen hatte. Zum Glück ging es danach gut weiter und seit dem Kauf seines Renault 6 blieb er der Marke immer treu.
Ein 8er Gordini war schon immer Wims Traumauto. "Ich habe immer mit dem Bausatz dieses Modells von Heller gebastelt. Lange Zeit gab es entweder kein Angebot oder die Autos, die zum Verkauf standen, waren für mich nicht bezahlbar. Vor Jahren habe ich dann angefangen zu beobachten, was zum Verkauf steht. In Frankreich findet man oft zusammengeflickte Kopien, die zu teuer sind. Oder sogar mit einer Karosserie von einem anderen Renault 8 gebaut und daher nie als Gordini ab Werk ausgeliefert. Bei meiner Suche stieß ich sogar auf Exemplare in Australien, Finnland und gelegentlich auch in Spanien und Portugal, bis ich dieses Auto auf Ebay in Amerika fand".
"Ich fand es extrem spannend, auf den 8 Gordini 1100 von 1965 zu bieten, aber irgendwann war der Preis so hoch, dass ich aussteigen musste. Erst Monate später stieß ich auf genau den gleichen 8 Gordini auf einer Vintage Sportscars Seite in der Nähe von Chicago. Die Kontaktaufnahme ergab, dass der Mann, der den Wagen bei Ebay angeboten hatte, nie Geld vom Höchstbietenden erhalten hatte und es nun über einen befreundeten Spezialisten für Oldtimer versuchte. Daraufhin nahm ich Kontakt mit dem Vorsitzenden des amerikanischen Renault Clubs auf, zunächst per E-Mail, dann per Telefon. Er wußte von der Existenz dieses speziellen Gordini, aber er hatte diesen Renault nur auf der Carlisle Car Show gesehen, wo der 'Gord' nach der Restaurierung gezeigt wurde. Danach war er nicht mehr gefahren worden. Der 8er Gordini befand sich immer noch bei der Person, die die Restaurierung durchgeführt hatte, im Staat Ohio. Natürlich wollte ich mehr Details wissen. Der Wagen wurde ursprünglich in Kalifornien ausgeliefert und in den Jahren 2010 und 2011 komplett restauriert und umgebaut. Schweißarbeiten waren nicht nötig, denn die Karosserie erwies sich als komplett rostfrei und völlig makellos. Über den Vorsitzenden des Renault Clubs erhielt ich Fotos und sogar ein Video. Ich gewann Vertrauen in das Auto und entschied mich, es zu kaufen, ohne es selbst in Augenschein zu nehmen".
So wurde es dann auch gemacht. Wim machte ein recht niedriges Gebot, denn es würden auch die notwendigen Transportkosten und vielleicht einige Restaurierungsarbeiten anfallen. Der Deal wurde nach dem Sommer 2012 abgeschlossen. "Aber die eigentliche Spannung stand uns noch bevor", erinnert sich Wim. "Der ursprüngliche Plan war, dass der Wagen am 29. Oktober 2012 von Newark bei New York aus verschifft werden sollte. Aber genau an diesem Tag zog der Hurrikan Sandy vorbei und rund 250.000 Neuwagen gingen am Kai verloren. Wenn man das hört, weiß man nicht, wie der 8 Gordini ausgeliefert werden soll. Es dauerte auch eine Weile, bis ich die Nachricht erhielt, das Chaos und die Schäden waren komplett. Zehn Tage später informierte mich der Transporter, dass das Schiff abgefahren sei. Ich hatte mich dafür entschieden, das Auto bis an meine Haustür liefern zu lassen. Das geschah Anfang Dezember und zu meiner großen Überraschung und Freude kam der glänzende 8er Gordini völlig unversehrt bei mir an. In der Tat, was ich sah, schmeichelte meinem Auge. Die Karosserie und der Chrom erwiesen sich als sehr gut erhalten und auch der Motorraum und die Technik schienen perfekt zu funktionieren".
Es waren nur Kleinigkeiten, die Wim zu erledigen hatte. Zum Beispiel stellte sich heraus, dass die meisten Instrumente auf dem Armaturenbrett nicht funktionierten, wie der Drehzahlmesser, die Scheibenwischer und die Temperaturanzeige. Auch der Behälter für die Scheibenwaschanlage fehlte. Wim: "Ach ja, noch eine Kleinigkeit, das Auto wollte nicht anspringen. Außerdem gab es eine Menge Detailarbeit, wie zum Beispiel das Auswechseln der Sealed Beam-Scheinwerfer. Im Motorraum wurde ein undichter Kurbelwellendichtring gefunden und der Ventildeckel war nicht richtig zentriert. Außerdem musste ich nach einer guten Adresse für die Überholung des Tachos suchen. In den Niederlanden war diese nicht zu finden und so landete ich bei Colombo in Frankreich, die perfekte Arbeit leisteten und einen hervorragenden Service boten. Das Problem, dass der Motor nicht anspringen wollte, wurde durch den Einbau der richtigen Zündkerzen und die richtige Einstellung der Doppel-Weber-Vergaser gelöst. Der 8er Gordini ist in diesen Punkten sehr empfindlich. Übrigens sollte der Motor noch originale Solex-Vergaser haben. Diese wurden zwar sauber mit dem Auto ausgeliefert, benötigten aber eine komplette Überholung. Um den Lauf komplett zu perfektionieren, ging der Wagen auf den Prüfstand und fährt nun mit einer optimalen Düseneinstellung nach meinem Geschmack".
Auf unserer Entdeckungsreise um und durch Wims schönen 8er Gordini stoßen wir auf verschiedene spezifisch amerikanische Details. Zum Beispiel wird das Fernlicht mit einem Fußschalter links neben den Pedalen bedient. Außerdem hat der Wagen rote Rückleuchten und im Kofferraum befindet sich ein Aufkleber mit der Aufschrift 'Special USA Made in France'. Dieser Aufkleber kennzeichnete alle Renaults, die zu dieser Zeit in Frankreich für den amerikanischen Markt gebaut wurden. Das Armaturenbrett ist eine Mischung aus Französisch und Englisch. Natürlich hat der Gordini einen Meilenzähler und eine Temperaturanzeige in Fahrenheit. Alle anderen Instrumente tragen französische Beschriftungen. Auf dem Armaturenbrett befindet sich zum Beispiel eine Kontrollleuchte für den Bremsflüssigkeitsstand mit der Aufschrift "FREIN". Die Renault-Schriftzüge auf beiden vorderen Kotflügeln passen zu den anderen Modellen, die Mitte der sechziger Jahre in Amerika verkauft wurden.
Zu dieser Zeit lieferte Renault den regulären R8 auf dem amerikanischen Markt mit den gleichen Modifikationen aus, wie wir sie an diesem 8 Gordini sehen. Aber der 8 Gordini wurde nie offiziell verkauft. Dennoch scheint dieses Auto, das 1965 produziert wurde, Anfang 1966 zugelassen worden zu sein. Der erwähnte Aufkleber ist original aus dieser Zeit und hat sich bei der Restaurierung erhalten. Schaut man sich die Nummern an, so findet man auf dem ovalen Schild unter der Typenbezeichnung R1134 (R8 Gordini 1100) die Nummer 1876, was auf die Nummer des Wagens in der Serie hinweist. Interessanter scheint die kleine Nummer 244 zu sein. Das ovale Schild zeigt in der Regel die dreistellige Ländernummer, so dass man immer erkennen kann, nach welchen Vorgaben der Wagen gebaut wurde. Es ist daher wichtig, herauszufinden, worauf sich die Nummer 244 bezieht. In den Jahren 1965 und 1966 scheint die Landeskennzahl 244 nicht in Gebrauch gewesen zu sein, denn bemerkenswert ist, dass in diesen Jahren der Staat Kalifornien die Landeskennzahl 243 und Kanada z.B. 240 trägt. Dies lässt den Verdacht aufkommen, dass dieser 8er Gordini nach den damaligen amerikanischen Spezifikationen gebaut und exportiert wurde. Es erscheint unwahrscheinlich, dass dies im Auftrag eines Kunden geschah. Viel plausibler ist, dass Renault den Wagen mit kommerziellen Absichten oder zu Homologationszwecken verschifft hat. Immerhin wurde der normale Renault 8 in den Vereinigten Staaten und Kanada ausgeliefert. Französische Spezialisten können aus Archiven bestätigen, dass ein 8er Gordini nie an amerikanischen Rennen teilgenommen hat. Untersucht man den Wagen im Originalzustand, so kann man auch mit Sicherheit sagen, dass es hier überhaupt keine Rennhistorie gibt.
Bis in die kleinsten Details gibt es keinen Zweifel am 8 Gordini des ersten Typs. Das bedeutet, dass der Wagen mit dem 1,1-Liter-Motor ausgestattet ist, den Amédée Gordini mit den nötigen Extra-PS versehen hat. Der Effekt war für die damalige Zeit sicherlich enorm. Während der Standard-Renault 8 48 SAE-PS leistet und der Major mit dem 1.108-cm³-Motor nur 2 Extra-PS erhält, schafft es Gordini, den Motor auf 95 PS zu bringen. Das ist natürlich noch nicht alles. Die Karosserie erhält die nötigen Verstärkungen, Dinge wie die Bremsen werden in Angriff genommen und vor allem die Zusammensetzung und Abstimmung des Fahrwerks. Der 8er Gordini wurde von Anfang an für den Einsatz bei Rallyes und Rennen entwickelt, obwohl die Idee des Markenpokals zu diesem Zeitpunkt noch nicht geboren war.
Wims Gordini erfüllt die Merkmale eines frühen Modells bis ins kleinste Detail. Das zeigt sich unter anderem an der Form des Blechs direkt hinter den hinteren Türen und vor der Heckscheibe. Es handelt sich um eine Blockform, die nach hinten verläuft. Ab 1966 verläuft eine gerade Linie parallel zur Hecktür. Ein weiteres Detail, das die Datierung des Wagens unterstreicht, ist im Blech unter den Ecken der Windschutzscheibe zu sehen. Der flache Teil des Scheibenrahmens, der die Scheibenwischer und die Scheibenwaschanlage enthält, läuft bis zu den Türen, während bei späteren Versionen die Wölbung früher aufhört. Lustig übrigens zu wissen, daß die 8 Gordini 1100 nur in der berühmten Farbe Bleu de France erhältlich war. Der Gordini 1100 war genau zwei Jahre lang im Lieferprogramm von Renault. Er wurde im Oktober 1966 auf der Pariser Autoshow vom 1300er abgelöst und war an seinen Doppelscheinwerfern zu erkennen. Das ist auch die Version, die serienmäßig ein Fünfgang-Getriebe und zum Beispiel einen zweiten Kraftstofftank im Kofferraum bekam. Gerade das Fehlen dieser Dinge macht den R1134 so einfach und unkompliziert.
Zwischen Oktober 1964 und Juni 1966 baute Renault genau 2.622 Exemplare des 8 Gordini 1100. Damit ist diese Version deutlich seltener als der 1300er, von dem bis Juni 1970 8.981 Einheiten das Werk verließen.
En detail..
Renault 8 Gordini 1100 1965
Spezifikationen R1134
Motor:
Typ 804-00, 4-Takt, 4 Zylinder, Hubraum 1.108 ccm. Bohrung x Hub 70 x 72 mm, zwei Solex C40 PHH 2-Vergaser. Leistung 95 SAE-PS bei 6.500 U/min, Drehmoment 10 m.kg bei 4.000 - 6.000 U/min. Fassungsvermögen des Kurbelgehäuses: 3,25 Liter. Fassungsvermögen des Kühlsystems: 7,6 Liter.
Getriebe:
Synchronisiert mit vier Vorwärts- und einem Rückwärtsgang. Übersetzung: 1. - 3,61, 2. - 2,25, 3. - 1,48, 4. - 1,03, Rückwärtsgang 3,08.
Aufhängung:
Bremsen: vier Scheiben, Durchmesser 260 mm mit Hydrovac Bendix Kraftunterstützung. Bereifung: 135 x 380 (Standard). Höchstgeschwindigkeit: 170 km/h.
Abmessungen:
Länge 3,995 m, Breite 1,490 m, Höhe 1,370 m, Radstand 2,270 m. Spurweite vorn 1,256 m, hinten 1,226 m, Bodenfreiheit 0,150 m. Kraftstofftankinhalt 38 Liter. Gewicht 795 kg.