Im Leben und Werk Hippolyts ist vieles so umstritten, wie sonst bei
kaum einem anderen kirchlichen Schriftsteller. In unserer Zeit hat er
insofern eine besondere Bedeutung gewonnen, als die Liturgiereform
nach dem 2. Vatikantischen Konzil sich auf die ihm zugeschriebene
Apostolische Überlieferung stützte, und zwar für das 2. Hochgebet
der Messe und die Weihepräfation der Bischofsweihe.
Hippolyt wurde vielleicht im griechischen Osten vor 170 n. Chr. geboren und soll ein Schüler des Irenäus v. Lyon gewesen sein, den er in seinen Texten viel verwendet. Unter Papst Victor (ca. 189–98) war er ein römischer Presbyter. Er war ein heftiger Bekämpfer der Modalisten, die die Dreifaltigkeit Gottes leugneten, indem sie nur von drei Erscheinungsweisen der einen göttlichen Person sprachen. Hippolyt selbst vertrat aber eine subordinatianische Logoslehre, d. h., er sprach dem Logos die Gottheit in einer geringeren Weise als dem Vater zu.
Für Hippolyts Lebensbeschreibung spielt eine 1842 auf dem Berg Athos in Griechenland entdeckte Schrift eine entscheidende Rolle. Sie besteht aus sechs Büchern, ist aber unvollständig. Der Franzose Emmanuel Miller erkannte dann den Zusammenhang mit einem anderen, ebenfalls unvollständigen Werk, das damals den Namen Philosophumena führte und allgemein Origenes zugeschrieben wurde. Er stellte fest, dass es sich bei der entdeckten Schrift um die bis dahin fehlenden Bücher vier bis neun dieser Philosophumena handelte. Er veröffentlichte dann 1851 in Oxford das gesamte ihm vorliegende Werk (ohne die nach wie vor fehlenden Bücher 2 und 3) unter dem Titel Origenis Philosophumena sive omnium haeresium refutatio. Es war dann Ignaz Döllinger (1799–1890), der argumentierte, dass die Refutatio omnium haeresium (= Widerlegung aller Häresien) nicht Origenes, sondern Hippolyt als Autor haben müsse. Darin folgt ihm die moderne Forschung bis heute, auch wenn es einzelne Gegenstimmen gibt. Demnach ergibt sich dann folgendes Bild:
Schon unter Papst Zephyrin kam es zu Spannungen mit dem Papst, die zum offenen Konflikt ausbrachen, als Kallistus (217–22) zu dessen Nachfolger gewählt wurde. Dieser nannte Hippolyt einen Ditheisten, d. h. er warf ihm vor, Vater und Sohn in zwei Götter aufzuspalten. Hippolyt beschuldigte im Gegenzug den Papst des Modalismus und der zu großen Milde gegen die Sünder. Kallistus hatte ein Edikt über die Vergebbarkeit aller Sünden herausgegeben, das Hippolyt für inopportun hielt. Außerdem erklärte Kallistus die Ehen zwischen Partnern, bei denen ein großer sozialer Standesunterschied bestand, für gültig, obwohl sie zivilrechtlich ungültig waren. Hippolyt missgönnte Kallistus offenbar seinen Aufstieg und verachtete ihn, da er aus dem Sklavenstand kam.
Hippolyt wurde darauf Bischof einer kleinen schismatischen Gemeinde in Rom, also faktisch eine Art Gegenpapst, und blieb auch unter den nächsten Päpsten Urban und Pontian im Schisma. 235 wurden Pontian und Hippolyt in der Verfolgung des Maximinus Thrax (Thraker) nach Sardinien verbannt, wahrscheinlich, weil sie beide Oberhäupter christlicher Gemeinden in Rom waren. Pontian verzichtete dort auf sein Amt, so dass man in Rom einen Nachfolger (Antherus) wählen konnte. In Sardinien sollen sich Pontian und Hippolyt versöhnt haben und noch im Jahr 235 gestorben sein. Ihre Überreste wurden nach Rom gebracht, wo Hippolyt in der Via Tiburtina beigesetzt und als Märtyrer verehrt wurde. Sein Fest ist unter dem 13. August noch im römischen Kalender. Er ist auch der Patron der Stadt St. Pölten in Österreich, deren Name eine Verballhornung des Namens Hippolyt ist.
Seltsam ist allerdings, dass Eusebius in seiner Kirchengeschichte (VI, 20,3) Hippolyt ganz unbestimmt den „Vorsteher einer anderen Kirche“ nennt. Erst Apollinaris von Laodizea (4. Jh.) nennt ihn Bischof von Rom. Hieronymus sagt dagegen in De vir. ill. 61, er kenne den Namen der Stadt nicht, in der Hippolyt Bischof war. Papst Damasus scheint ihn nach einer Inschrift für einen Anhänger des Novatian gehalten zu haben, was nicht stimmt, aber ein Anhaltspunkt dafür sein könnte, dass er Hippolyt für einen Schismatiker hielt. Dagegen geht aus den Schilderungen des 9. Buchs der Refutatio hervor, dass der Verfasser Bischof einer schismatischen Kirche in Rom gewesen sein muss. Da man keine andere Persönlichkeit in dieser Zeit kennt, die dieser Bischof gewesen sein könnte, als Hippolyt, bleibt diese Zuschreibung die wahrscheinlichste.
Hippolyt schrieb als einer der letzten Autoren des Westens in griechischer Sprache. Eine Liste von Werken Hippolyts geben Eusebius (Kirchengeschichte VI, 22) und Hieronymus (De vir. ill. 61). In der Vatikanischen Bibliothek steht eine Marmorplastik, deren unterer Teil 1551 in Rom im Zömeterium des Hippolyt in der Via Tiburtina gefunden wurde. Sie zeigt eine Person, die auf einem (Lehr-)Stuhl sitzt, aber der obere Teil fehlte. Die Statue wurde damals als Hippolyt restauriert. An der rechten Seite des Lehrstuhls sind eine Tabelle der Ostertermine und die Titel einiger Schriften eingemeißelt. Da auch Eusebius ein Buch des Hippolyt über das Osterfest erwähnt, meint man, dass die Tabelle ein Rest dieser Schrift sei. Auch einige andere Titel stimmen mit Werken überein, die Eusebius oder Hieronymus als Werke Hippolyts bezeichnen. Jedoch ist hier vieles umstritten. Viele Gelehrte nehmen heute an, dass die Statue ursprünglich eine Frau darstellte und die Titel nicht unbedingt die Schriften einer Person bezeichnen müssten, sondern z. B. auch einer Schule zugeschrieben werden könnten.
In der Refutatio omnium haeresium ist das 9. Buch von größtem Interesse. Hier wird der rechtmäßig gewählte Papst Kallistus beschuldigt, vor seiner Wahl zum Bischof von Rom einen zwielichtigen Lebenswandel geführt zu haben und als Bischof zu große Milde gegenüber den Sündern zu zeigengezeigt sowie den Modalismus unzureichend zu bekämpfen. Den Anhängern des Kallistus wird vorgeworfen, sich „katholische Kirche“ zu nennen, während sie in Wirklichkeit die „Sekte der Kallistianer“ seien. Daraus ergibt sich klar die Existenz eines Schismas in Rom. Dass der Verfasser des Textes mit dem Selbstverständnis auftrat, der rechtmäßige römische Bischof zu sein, zeigt ein Zitat aus dem Vorwort:
„Es wird sie [die Irrlehrer] aber niemand anderer des Irrtums überführen als der in der Kirche gespendete Hl. Geist, den zuerst die Apostel empfangen haben … Da wir als deren Nachfolger an derselben Gnade, Hohepriesterwürde und Lehre teilhaben und zu den Hütern der Kirche gehören, so halten wir die Augen offen und verkündigen die wahre Lehre.“
Ansonsten sind von Hippolyt eine Schrift Über den Antichrist, ein Danielkommentar und ein Kommentar zum Hohelied (in georgischer Übersetzung) erhalten. Er soll auch eine Schrift verfasst haben, in der er die Abfassung des Evangeliums und der Apokalypse durch den Apostel Johannes verteidigte.
Bei der Apostolischen Überlieferung handelt sich um eine ursprünglich in griechischer Sprache verfasste Kirchenordnung. Sie wurde im 20. Jh. meist Hippolyt zugeschrieben. Bei dieser Zuschreibung spielt die sog. Hippolyt-Statue eine wichtige Rolle, denn in der Liste von Werktiteln auf der Seitenwand des Stuhls gibt es auch eine ΑΠΟΣΤΟΛΙΚΗ ΠΑΡΑΔΟΣΙΣ = APOSTOLIKE PARADOSIS. Diese Zuschreibung ist aber bis heute umstritten.
Von der Urfassung der Traditio haben wir nur noch Bruchstücke, aber es gibt eine Reihe von Übersetzungen, auch ins Lateinische. Das Werk ist eine Zusammenstellung von Texten, die man in der Liturgie verwendete.
In der Traditio apostolica werden die Aufgaben und Funktionen des Bischofs, Presbyters und Diakons in der christlichen Gemeinde sowie deren Weihe dargestellt. Die Kirchenordnung behandelt ferner die Stände der Witwen, Lektoren, Jungfrauen und Subdiakone, die Vorbereitung und Durchführung der Taufe sowie der Eucharistie und das Osterfest. Aufgrund der Anzahl und Art früher Übersetzungen liegt es nahe, dass die Traditio apostolica in der Spätantike rund um das östliche Mittelmeer und bis Äthiopien verbreitet war.
Vom 2. Kanon des neuen Messbuchs, der der kürzeste und meistverwendete ist, wird behauptet, er sei der antike Kanon des Hippolyt. In Wirklichkeit handelt es sich aber nur um eine verstümmelte Fassung des Hochgebets aus der Traditio apostolica. Dr. Heinz-Lothar Barth hat hierzu 1999 ein wichtiges Buch vorgelegt: Die Mär vom antiken Kanon des Hippolytos. Untersuchungen zur Liturgiereform, in dem er diese Verstümmelungen aufzeigt. So wurden die Worte in Bezug auf Christus „… den du uns in diesen letzten Zeiten als Retter, Erlöser und Boten deines Willens gesandt hast“ gestrichen. Bei den Worten: „Er hat in seinem Leiden die Hände ausgebreitet, um die von Leiden zu befreien, die an dich geglaubt haben“, hat man die letzten, kursiv gedruckten Worte gestrichen, vermutlich, weil die Heilsnotwendigkeit des Glaubens der nachkonziliaren Theologie nicht passt. Auch die Worte, Christus habe sich freiwillig dem Leiden ausgeliefert, „… um die Fesseln des Teufels zu zerreißen, die Unterwelt niederzutreten, die Gerechten zu erleuchten“ wurden ersatzlos gestrichen, weil man von Teufel, Hölle und Gerechten nichts mehr hören will. Auch die Betonung des Priestertums für die Darbringung des Messopfers bei den Worten: „Wir sagen dir Dank, dass du uns für würdig erachtet hast, vor dir zu stehen und dir als Priester zu dienen“ wurde gestrichen.
Heute wird zudem von vielen Forschern angenommen, dass man die Bedeutung der Traditio apostolica in den 1970er- Jahren überbetonte.