Seit mehr als 700 Jahren gibt es in der katholischen Kirche die Feier „Heiliger Jahre“. Unter Papst Bonifaz VIII. fand im Jahre 1300 erstmals ein „Anno Santo“ in Rom statt.
Heilige Jahre wurzeln im Alten Testament. Das Gesetz des Alten Bundes schrieb den Israeliten vor, nach siebenmal sieben Jahren ein besonderes Festjahr zu begehen: „Erklärt dieses fünfzigste Jahr für heilig, und ruft Freiheit für alle Bewohner des Landes aus“. Jeder Grundbesitz sollte wieder in die Hände seines ursprünglichen Besitzers fallen, Schulden erlassen werden, die Sklaven ihre Freiheit zurückerhalten. Das jüdische Festjahr wurde durch ein Widderhorn, das „jobél“, ausgerufen: Vom hebräischen Wort „jobél“ wird sich später das ableiten, was wir heute „Jubiläum“ nennen.
Heilige Jahre in der katholischen Kirche stehen für die Aussöhnung mit Gott. Durch Reue und Absolution des Priesters in der Beichte wird zwar die Sündenschuld getilgt, aber die Sündenstrafen sind noch abzubüßen. In den Heiligen Jahren gewann daher der Ablass, der Nachlass von Sündenstrafen durch die Kirche, große Bedeutung.
Wurden durch ein Gebet oder eine fromme Verpflichtung einem Gläubigen hundert Tage Ablass gewährt, dann war darunter zu verstehen, dass man ihm die zeitliche Strafe, die der Sünder in früheren Zeiten durch die Übernahme einer Kirchenbuße von hundert Tagen ableisten mußte, erließ. Man spricht daher von einen Teilablass oder einem vollkommenen Ablass, je nachdem er von der zeitlichen Sündenstrafe teilweise oder ganz freimacht.
Die Feier der Heiligen Jahre ist untrennbar mit der Heiligen Pforte in den Papstbasiliken Roms verbunden. Sie steht für die Barmherzigkeit Gottes, die für alle weit geöffnet ist – „Bis zu einer goldenen Pforte du gelangst, da gehst Du ein. Denn das Irdische wird dorten, himmlisch unvergänglich sein“, dichtete Friedrich Schiller in „Der Pilgrim“.
Sie ist, so ließ Papst Alexander VI. (1492–1503) verlauten, die „Einladung in den Schafstall, in die Herde Christi, einzutreten, dessen erster Wächter und Hirte Wir sind“. Für die Öffnung und Schließung der Heiligen Pforte hatte dieser vielgeschmähte Papst ein eindrucksvolles Ritual geschaffen – zeichenhaft für die Gewährung des Ablasses durch den Papst. Auf ihn wurde das Wort des Propheten Jesaja gedeutet: „Wenn er öffnet, wird niemand schließen, und wenn er schließt, wird niemand öffnen.“
Betrug die Wartezeit auf ein Jubeljahr ursprünglich fünfzig Jahre, so legte Papst Paul II. in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts fest, dass die Feier eines Heiligen Jahres alle fünfundzwanzig Jahre stattzufinden habe.
Neben den regulären Heiligen Jahren entschieden sich die Päpste in jüngerer Zeit auch für die Feier besonderer Jubiläen. 1933 berief Papst Pius XI. (1922–1939) ein Außerordentliches Heiliges Jahr ein – zur Erinnerung an das 1900. Todesjahr des Erlösers der Welt. Der Heilige Vater Johannes Paul II. (1978–2005) kündigte für 1983 ein Außerordentliches Heiliges Jahr; es sollte an den 1950. Todestag Christi erinnern.
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