Das Buch der Genesis berichtet im 18. Kapitel vom Besuch dreier Männer bei Abraham, der sich damals bei den Terebinthen Mamres befand, also etwa 3 km nördlich des heutigen Hebron. Nur einer der drei Männer spricht, und zwar offenbar in der Person Gottes selbst. Er verheißt Abraham einen Sohn von dessen Frau Sara, obwohl diese schon 90 Jahre alt ist. Dann brechen die Männer gegen Sodom auf, und Abraham begleitet sie. Dabei sagt Gott: „Die Klage über Sodom und Gomorra ist gar groß geworden und ihre Sünde sehr schwer“ (18,20). Es kommt dann zu der Diskussion zwischen Abraham und Gott, bei der Gott verspricht, Sodom zu schonen, wenn er dort wenigstens zehn Gerechte findet.
Im 19. Kapitel wird dann die Zerstörung der Städte berichtet: „Nun ließ der Herr auf Sodom und Gomorra vom Herrn her, vom Himmel herab, Schwefel und Feuer regnen. So vernichtete er diese Städte, die ganze Gegend samt allen Bewohnern der Städte und allem, was auf den Fluren wuchs“ (V. 24 f). Nur Lot und seine beiden Töchter werden gerettet.
Diese Erzählung wurde bis vor kurzem von den meisten Bibelgelehrten und Altertumswissenschaftlern als unhistorisch abgetan. Sie sei nur eine Geschichte, die belegen solle, dass man gestraft wird, wenn man die Gebote Gottes nicht hält. Auch viele andere Berichte der Bibel wer-den heute nicht mehr geglaubt, wie z. B. der Auszug Israels aus Ägypten und die Eroberung des Heiligen Landes. Selbst David und Salomo werden oft nicht für historische Gestalten gehalten. Nun hat aber die Archäologie gerade in den letzten Jahren vieles ausgegraben, was die Berichte der Bibel bestätigt, und das gilt auch für die Zerstörung von Sodom.
Prof. Dirscherl betont zunächst mit einer gewissen Berechtigung die Vieldeutigkeit der Hl. Schrift, die immer wieder neu ausgelegt werden muss, und wendet dies dann auf die Dokumente des kirchlichen Lehramts an: Auch die Dogmen sind nicht per se eindeutig, denn „das kirchliche Lehramt steht nicht über dem Wort Gottes, sondern dient ihm“ (S. 27). Das ist ein Sophismus, der arglose Geister in die Irre führen soll. Natürlich steht das Lehramt nicht über dem Wort Gottes, aber gerade weil die Hl. Schrift nicht immer eindeutig ist, hat das Lehramt den Beistand des Heiligen Geistes, um die Hl. Schrift richtig auszulegen. So hat es das 1. Vatikanische Konzil gelehrt:
„Die Lehre des Glaubens, die Gott geoffenbart hat, wurde … als göttliche Hinterlassenschaft der Braut Christi anvertraut, damit sie treu gehütet und unfehlbar erklärt werde. Daher ist auch immerdar derjenige Sinn der heiligen Glaubenssätze beizubehalten, den die heilige Mutter Kirche einmal erklärt hat, und niemals von diesem Sinn unter dem Anschein und Namen einer höheren Einsicht abzuweichen.“
Nach Dirscherl müssen nun aber sämtliche Aussagen des Lehramts, auch die Dogmen „in der Gemeinschaft der Kirche immer wieder neu gedeutet und rezipiert werden“ (ebd.). Eine Tradition, die sich der Offenheit neuer Deutungen verschließt, sei geradezu ein Verrat am Wort Gottes! Genau so hat der hl. Pius X. den Modernismus beschrieben. Für diesen sind selbst die Dogmen nur zeitbezogene Ausdrucksformen des Glaubens, die zu anderen Zeiten neu formuliert und interpretiert werden können.
Sogar der hl. Thomas v. Aquin weise „zwingende Gottesbeweise“ zurück, behauptet der Regensburger Professor (S. 28). Wo Thomas das tut, gibt er nicht an – kann er auch nicht, denn Thomas lehrt ja ausdrücklich das Gegenteil, dass man nämlich die Existenz Gottes beweisen kann (z. B. Summa Theologiae Pars I, q.2, a.2). Richtig ist, dass die eigentlichen Offenbarungsinhalte (Dreifaltigkeit Gottes, Menschwerdung usw.) nicht beweisbar sind, denn sonst wäre der Glaube nicht mehr Glaube, sondern Wissen. Daraus folgt aber nicht, dass der Glaube uneindeutig wäre. Wenn Christus über das Brot beim letzten Abendmahl sagt, es sei sein Leib, und die Kirche das immer im Sinn einer wirklichen Verwandlung des Brotes verstanden und alle symbolischen Erklärungen zurückgewiesen hat, dann ist derjenige, der heute eine bloß symbolische Deutung annimmt, vom katholischen Glauben abgefallen.
Diese Einleitung zeigt schon, wie die folgenden Kapitel des Buches zu nehmen sind. Auch da, wo die frühere kirchliche Lehre zu einem Punkt des Glaubens richtig dargelegt wird, soll man sich vor Augen halten, dass es sich dabei nicht um endgültig bindenden Entscheidungen handelt, sondern nur um das damalige Verständnis des Wortes Gottes. Heute dürfen wir also für neue Deutungen offen sein. Es gibt für Dirscherl offenbar kein festes und unveränderliches christliches Bekenntnis!
In der Trinitätslehre wird der traditionellen Lehre „ein Klassiker des 20. Jahrhunderts: Karl Rahner“ (S. 74) mit seiner Theorie von der immanenten und ökonomischen Trinität gegenübergestellt. Rahner ist für beide Autoren eine anerkannte Größe, was immer wieder durchscheint. Die heilsökonomische Trinität ist für diesen:
„Der ursprungslose Gott, der sich in zwei verschiedenen Gegebenheitsweisen selber mitteilt … In dieser heilsökonomischen Trinität heißt der ursprungslos und souverän bleibende Gott Vater, in seiner Selbstmitteilung in die Geschichte Logos, in seiner Selbstmitteilung an die Transzendentalität des Menschen Heiliger Geist.“
Das entspricht der schon im Altertum verurteilten Irrlehre des Modalismus: Es gibt in Gott nicht drei Personen, sondern nur drei Weisen, wie er sich offenbart. Rahner versucht dann zwar, den Modalismus zu umgehen, indem er sagt, die beiden Mitteilungsweisen Gottes seien von Ewigkeit her schon als aktuelle Möglichkeiten in Gott und könnten Subsistenzweisen genannt werden, aber das hat mit der katholischen Trinitätslehre wenig zu tun. Immerhin scheinen Rahner am Ende seines Lebens selbst Bedenken über seine Trinitätslehre gekommen zu sein: „Ich bin mir nicht mehr so sicher, ob das, was ich über die Trinität geschrieben habe, richtig gewesen ist (mit dem Dogma übereinstimmt). … Ich denke heute, dass meine Trinitätslehre zu Bedenken Anlass gibt.“ Das scheint Prof. Dirscherl aber nicht bekannt zu sein.
In der Christologie wird – wieder ganz im Sinn von Karl Rahner – die traditionelle Theologie von Markus Weißer als Deszendenz-Christologie bezeichnet, d. h. als Abstiegs-Christologie: Gott ist Mensch geworden. Dem wird nun eine Aszendenz-Christologie, also eine Aufstiegs-Christologie gegenübergestellt, die vom Menschen Jesus von Nazareth ausgeht und fragt, wie uns „in diesem Menschen Gott selbst begegnen kann“ (S. 159). Mit der Rede von der Geburt Jesu aus einer Jungfrau werde „keine biologische Aussage intendiert“. Vielmehr gehe es „um eine kreative und unerwartete ‚Neuschöpfung‘, einen Neuanfang durch das Handeln Gottes und die freie Zustimmung und Mitwirkung der Mutter Jesu“ (S. 157). Jesus wurde also offenbar ganz normal von Josef gezeugt. Aber Gott hat sich in diesem Jesus von Nazareth unwiderruflich der Welt zugesagt. „Gott bindet sich und sein Wort an das Schicksal dieses Menschen, identifiziert sich mit ihm und spricht durch ihn alle Menschen an. So kommt die machtvolle Herrschaft Gottes in dieser Welt zum Durchbruch“ (S. 179). Dass Jesus der Sohn Gottes ist, bedeutet also nur, dass Gott sich in ihm und durch ihn endgültig geoffenbart und zugesagt hat.
Zur Zeit Jesu Christi hatte man bereits vergessen, wo Sodom und Gomorra gelegen hatten. Die Schriftsteller dieser Zeit vermuteten die untergegangen Städte am Südufer des Toten Meeres (Philo v. Alexandrien) oder an dessen südwestlichen Ufer (Strabo) oder sogar im Toten Meer selbst (Josephus Flavius). In byzantinischer Zeit schließlich verortete man Sodom auf der Halbinsel Lisan auf der Ostseite des Toten Meers.
Auch in unserer Zeit vermuteten manche die untergegangenen Städte im Toten Meer und in den Jahren 2000 und 2010 suchte man sogar mit Mini-U-Booten dessen Grund nach ihnen ab, jedoch ohne Erfolg. Die Entstehung des Toten Meers hat nichts mit der Zerstörung Sodoms zu tun. Nach den Geologen ist es mindestens 2 Millionen Jahre alt. Sein Wasserstand schwankte im Laufe der Geschichte allerdings erheblich, dürfte zur Zeit Abrahams aber ähnlich niedrig wie heute gewesen sein.
Einige Archäologen, die den Bericht der Bibel ernst nahmen, vermuteten in den 1990er Jahren die zerstörten Städte südlich des Toten Meers. Tatsächlich fand man dort eine Stadt, Bab edh-Drah, die offenbar durch ein Erdbeben zerstört worden war, bei dem es auch zu Bränden kam, aber es stellte sich heraus, dass das lange Zeit, bevor Abraham nach Palästina kam, geschah. Außerdem spricht die Hl. Schrift nicht von einem Erdbeben, sondern von Feuer vom Himmel, und zudem konnten die Bewohner von Bab edh-Drah sich offenbar noch rechtzeitig in Sicherheit bringen, denn man fand dort fast keine menschlichen Skelette.
Der Entdecker Sodoms ist der amerikanische Archäologe Steven Collins. Ihm fiel auf, dass nach dem Bericht der Bibel Sodom im Jordantal nördlich des Toten Meers gelegen haben musste. Im 13. Kapitel der Genesis heißt es nämlich, dass Abraham und Lot beschlossen, sich zu trennen, als sie bei Ai lagerten. Dann heißt es: „Lot erhob nun seine Augen und sah, dass die ganze Gegend am Jordan – der Herr hatte nämlich Sodom und Gomorra noch nicht zerstört – wohlbewässert war wie der Garten des Herrn, wie Ägypten, bis nach Zoar hin. Da wählte sich Lot die ganze Jordangegend aus“ (Gen 13,10 f). Von Ai aus hätten sie höchstens noch das Nordufer des Toten Meers sehen können. In der Jordanebene lagen neben Sodom und Gomorra auch noch Adma, Zebojim und Bela (vgl. Gen 14); Sodom muss aber die bedeutendste der Städte gewesen sein. Nach langem Suchen entschied Collins, dass ein Hügel im heutigen Jordanien, der Tall el-Hammam, die vielversprechendste Stelle sei.
Nach Einholung der notwendigen Genehmigungen konnte Collins 2005 mit den Ausgrabungen beginnen. Man entdeckte eine beeindruckende Stadt mit einem Burghügel. Erst 2012 wurde das monumentale Tor entdeckt, in dem Lot nach Gen 19,1 den beiden Engeln begegnet war. Man fand Unmengen von Asche, aber es sah nicht so aus wie sonst, wenn eine Stadt in Schutt und Asche gelegt worden war. Selbst von der Stadtmauer und ihren Türmen waren nur noch die Fundamente zu finden. Es schien, als habe eine gewaltige Kraft die Gebäude weggerissen. Es musste auch eine ungeheure Hitzeentwicklung gegeben haben: Tongefäße in Lagerräumen waren zerplatzt, der Putz von Wänden war geschmolzen.
Man fand zwar zahlreiche menschliche Knochen, aber nur drei vollständige Skelette von zwei Erwachsenen und einem Kind. Die meisten Menschen waren also buchstäblich zerrissen worden und auch die drei vollständigen Skelette waren nicht auf normale Weise beerdigt worden, sondern lagen verrenkt auf dem Boden, mit dem Gesicht nach unten.
Das interessanteste Objekt war eine Tonscherbe, die auf einer Seite eine grüne, glasierte Oberfläche aufwies. Ein Mann aus dem Grabungsteam, der vorher US-Soldat gewesen war, sagte: „Das ist Trinitit.“ Er kannte es von den Atombombentests her, die die USA in der Wüste von New Mexiko durchgeführt hatten. Durch die enorme Hitze bei der Explosion war der Sand dort an vielen Stellen zu grünlichen Klumpen zusammengeschmolzen. Später fand man auch natürliches Trinitit, z. B. in der nordafrikanischen Wüste, und zwar an Stellen, wo vor Jahrtausenden ein Meteorit eingeschlagen war.
Collins ließ die Tonscherbe im Labor untersuchen, als er wieder in den USA war. Als Ergebnis wurde ihm mitgeteilt: Das Tongefäß musste kurzfristig auf über 1700 °C erhitzt worden sein, so dass die Keramik schmolz und die Oberfläche verglaste. Dann aber war es zu einer plötzlichen Abkühlung gekommen, denn sonst wäre nicht nur die Oberfläche verglast worden. Durch einen normalen Brand kommt es nicht zu solchen Temperaturen. Selbst das heftigste Feuer übersteigt selten 1000 °C. Es muss also eine extreme Hitzewelle gewesen sein, die schnell wieder vorüber war.
Man fand noch an weiteren Stellen verglaste Tonscherben und im Umkreis von acht Kilometern verglasten Sand. Allerdings blieb die Ursache rätselhaft, denn die Einschlagstelle eines Meteoriten würde man noch heute feststellen können, aber eine solche fand man nicht. Collins erfuhr dann zufällig, dass es noch eine andere Möglichkeit gibt, dass der Meteor oder Komet nämlich in der Atmosphäre zerplatzt. Das bekannteste und besterforschte Ereignis dieser Art fand am 30. Juni 1908 in Sibirien in der Nähe des Tunguska-Flusses statt. Hier kam es zu einer Explosion, bei der man noch in 450 km Entfernung eine Feuersäule in den Himmel schießen sah, gefolgt von einem Pilz aus Rauch. Die Druckwelle riss in einem Radius von 30 Kilometern 60 Millionen Bäume um, im Zentrum war auf einer Fläche von 2000 Quadratkilometern alles verbrannt. Man geht dabei von einem Kometen von 100 Metern Durchmesser aus, der in etwa 8,5 Kilometern Höhe explodierte. Am 15. Februar 2013 gab es nochmals eine solche Explosion über Russland, die aber viel geringer war, durch den Meteor von Tscheljabinsk. Die Druckwelle beschädigte zahlreiche Häuser in der Region, vor allem zerbrachen Tausende von Fensterscheiben und verletzten Menschen, die diesen zu nahe standen.
Ein internationales Wissenschaftlerteam hat inzwischen bestätigt, dass es in der Jordanebene ebenfalls ein solches Ereignis gab. Der Abschlussbericht wurde 2021 vorgelegt. Demnach raste um 1800 v. Chr. ein Eisbrocken auf die Nordhälfte des Toten Meers zu und explodierte in etwa 4000 Metern Höhe. Die Bewohner von Sodom und den umliegenden Städten hatten keine Chance. Die Lufttemperatur stieg plötzlich auf über 2000 °C und steckte alles in Brand. Dann folgte die Druckwelle, die Stadtmauern, Häuser und Paläste niederlegte. Darauf schüttete sie einen Teil des Wassers des Toten Meers über Sodom und Gomorra, wodurch die Brände gelöscht wurden. Das ex-trem salzhaltige Wasser des Toten Meers verwandelte die Gegend für etwa 700 Jahre in eine trostlose, unfruchtbare Öde. Die Frau Lots muss bei der Flucht gezögert und sich nicht schnell genug aus der Gefahrenzone entfernt haben. Sie wurde darum von dem salzhaltigen Wasserdampf umfasst und erstickte, wobei sie eine Salzschicht umgab.
Die Bibel hat also ganz zuverlässig berichtet, was umso mehr zu bewundern ist, als die Genesis erst viel später, frühestens unter Moses, aufgeschrieben wurde.
1 Den Ausführungen liegt das Buch von Michael Hesemann: Die Bibel hat recht. Archäologen auf den Spuren des Alten Testaments, München: Langen Müller 2022, zugrunde. Ein informatives Video findet man unter: https://www.zdf.de/dokumentation/zdfinfo-doku/die-suche-nach-sodom-102.html