Dass der Priester die Messe liest und Sakramente spendet, Kranke besucht und Katechismusunterricht erteilt, wissen alle. Immer wieder taucht aber auch die Frage auf, was ein Priester sonst noch so alles zu tun habe oder wie lange er beten müsse. Was spricht also gegen einen kleinen Blick in den priesterlichen Alltag?
Erzbischof Lefebvre, unser verehrter Gründer, legte größten Wert auf das Gemeinschaftsleben, weil er aus seiner immensen Erfahrung wusste, wie sehr der einzelne Priester den Halt und die Stärkung durch eine Gemeinschaft notwendig hat. Daher gründete er Priorate, von denen er sagte: „Ich glaube ..., dass, wenn es dazu käme, dass die Priorate verschwänden, wir keine Bruderschaft mehr hätten.“
Nicht in jedem Priorat ist der Ablauf derselbe, aber in vielem ist er ähnlich. Gemäß dem Wunsch unseres Gründers sollen sich die Priorate an der Ordnung des Priesterseminars ausrichten. Wie sieht der Tagesablauf eines Priesters in einem Priorat aus?
Den Rahmen bilden die durch unsere Statuten vorgegebenen Zeiten für die Gebete und die Mahlzeiten:
Um 6.30 Uhr wird gemeinsam die Prim (ein Teil des Breviers) gebetet; auf sie folgt die Betrachtung (stilles Gebet). Nach dem „Engel des Herrn“ ist um 7.15 Uhr die hl. Messe mit anschliessender Danksagung. Das Frühstück ist um 8.10 Uhr und wird oft für kleine Besprechung anfallender Arbeiten genutzt. – Um 12.15 Uhr wird die Sext aus dem Brevier gebetet, was (je nach Tag) sieben bis zehn Minuten dauert, gefolgt vom „Engel des Herrn“. Danach, also gegen 12.30 Uhr, wird das Mittagessen eingenommen. – Abends wird der Rosenkranz mit dem „Engel des Herrn“ gebetet – vielerorts ist davor oder danach noch eine Abendmesse. Nach dem Abendessen ist freie Zeit bis zur Komplet um 20.45, die etwa 20 Minuten dauert. Sie das kirchliche Abendgebet, daher verbunden mit der Gewissenserforschung.
Innerhalb dieses vorgegebenen Rahmens werden alle übrigen Tätigkeiten „verteilt“:
Da ist zuerst der Rest des Breviergebets, für den etwas mehr als 50 Minuten veranschlagt werden müssen. Matutin und Laudes werden gerne am Morgen vor der Prim gebetet, was bedeutet, dass um ca. 5.30 Uhr der Wecker klingelt... Die anderen Horen (Teile des Breviers) werden auf den Tag verteilt: die Terz am Vormittag, die Non am Nachmittag und die Vesper gegen Abend.
Der Priester sollte des Weiteren täglich eine Viertelstunde in der Hl. Schrift lesen, etwa eine halbe Stunde für geistliche Lektüre (z. B. Heiligenbiographien oder Bücher über das geistliche Leben) und eine Stunde für das Studium verwenden. Idealerweise geschieht das am Vormittag.
Der grosse Rest der Zeit wird verwendet für verschiedenes:
Zur eigentlichen Seelsorge gehören die Spendung der Sakramente (Beichthören, Taufen) und Sakramentalien (Segnungen), die Krankenbesuche (meist mit Kommunion), Seelenführung, Ehevorbereitung, Gespräche mit Gläubigen in Schwierigkeiten oder Sorgen. In einem weiteren Sinn fallen auch die Hausbesuche in diesen Bereich.
Ein zweiter Tätigkeitsbereich ist die Glaubensverkündigung. Für die Vorbereitung der Predigten, des Katechismusunterrichts für die Kinder und der Glaubenskurse für Erwachsene und Konvertiten, sowie diverser Vorträge muss natürlich einiges an Zeit veranschlagt werden.
Das „Pfarreileben“ besteht aus regelmäßigen Treffen verschiedener Gruppierungen (Jugendgruppe, Eucharistischer Kreuzzug, Militia Immaculatae, Väterrunde, Müttergruppe etc. – das variiert von Priorat zu Priorat) und aus einzelnen Anlässen. Bei deren Durchführung sind die Priester froh und dankbar, wenn sie sich auf die Mithilfe tüchtiger Gläubiger verlassen können. Größere Zeremonien müssen vorbereitet werden, die Ministranten brauchen Anleitung, die Schola vielleicht Unterstützung.
Das alles bedingt einigen Aufwand für das Organisatorische: Diverse Pläne (z. B. Zelebration, Predigt, Schola, Kirchenreinigung usw.) müssen erstellt werden, damit alle anfallenden Arbeiten erledigt werden und alle Helfer wissen, was sie zu tun haben. – Die Gottesdienstordnung muss veröffentlicht werden, am besten nicht nur mit den bloßen Zeiten, sondern mit etwas geistlicher Nahrung für die Gläubigen. – Anlässe wie Erstkommunion, Firmung, Fronleichnam, Prioratsfest oder Wallfahrten müssen organisiert werden. Für einen reibungslosen Ablauf ist ein beträchtliches Mass an Vorbereitung und Koordination notwendig.
Nicht zu unterschätzen ist das Büro und die Verwaltung: Briefe und Mails müssen beantwortet werden. – Die Finanzen müssen im Auge behalten und Spenden bedankt werden. – Die Kasse muss geführt, die Rechnungen müssen beglichen werden. – Anfallende Reparaturen oder allfällige Neuanschaffungen müssen überlegt und besprochen werden. – Die Register über die Spendung der Sakramente müssen auf dem Laufenden gehalten werden. – Die Chronik muss geschrieben, der Bücherstand aktuell gehalten werden. – Der Kontakt mit den Behörden muss gepflegt werden.
Der Ausgleich und das Gemeinschaftsleben dürfen nicht zu kurz kommen! Erschöpfung und Krankheit sollte vorgebeugt werden: Der Geist kann nicht dauernd angespannt bleiben, der Leib braucht auch seine Bewegung. Etwas Freizeit, geistiger und körperlicher Ausgleich sollten nicht fehlen – und für die Gemeinschaft gemeinsame Spaziergänge und gelegentlich ein kleiner Ausflug.
Sie sehen – es fehlt uns Priestern an Gelegenheit zur Langeweile!
Dennoch richte ich eine grosse Bitte an Sie:
Kommen Sie mit Ihren Sorgen und Anliegen zu uns Priestern! Sie brauchen nicht Angst zu haben, uns zu viel „aufzuladen“. Vielleicht liegt es an diesem falschen „Mitleid“ mit uns Priestern, dass wir manchmal von wichtigen Dingen nichts mitbekommen. Wenn es um Sachen geht, die für die Seelsorge relevant sind, wollen und sollen wir sogar informiert werden. – Lassen Sie es nur unsere Sorge sein, zu „bremsen“ oder abzublocken, wenn wir finden, etwas sei uns zu viel oder betreffe uns nicht.