Wie wird man ein
guter Hirte?

Leon Wiese

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Es ist ein schöner Brauch, dass jedes Jahr am Sonntag vom Guten Hirten (2. Sonntag nach Ostern) die Seminaristen des Priesterseminars Herz Jesu in Zaitzkofen ein Priorat besuchen. So werden die Gläubigen auf das wunderbare Werk der Priesterausbildung hingewiesen und können ihre künftigen Seelsorger einmal kennenlernen. In diesem Jahr war die Kommunität zu Gast in München.

Man staunte nicht schlecht, als am Gut-Hirt-Sonntag (23. April) über 40 junge Seminaristen zum feierlichen Hochamt einzogen. Leviten, Altardiener, Schola, Orgel, alles rekrutierte sich aus den Reihen des Priesterseminars Herz Jesu in Zaitzkofen. Dessen Regens, P. Pascal Schreiber, stellte in seiner Predigt nicht nur den Werdegang eines Priesteramtskandidaten dar – er lüftete darüber hinaus ein architektonisches Geheimnis.

Von der Apsis der Münchener Patrona-Bavariae-Kirche hallten Orgel und Choral prächtig wider; die Gläubigen, darunter viele junge Familien, stimmten kräftig mit ein. Die Kirche war, so kann man sagen, voll und lebendig: Jung und Alt, Priesteramtskandidaten und kinderreiche Familien waren im Gottesdienst vereint und legten zusammen Zeugnis ab für die immergültige und gesunde Tradition der katholischen Kirche. Diese Tradition, dieser kraftvolle Katholizismus, wird von außen längst registriert und löst bei Kirchenfeinden offenbar panische Reaktionen aus: So hatten etwa Unbekannte schon vor einiger Zeit die Prioratsfassade mit Bitumen bespritzt. Diese Verzweiflungstat bezeugt wohl, dass im Münchener Priorat jener Glaube gelebt wird, den die Welt hasst; und dass man fürchtet, er könnte seine verändernde Kraft auf die Gesellschaft weiter entfalten. Die Lage ist freilich ernst. Pater Schreiber stellte darum in seiner Predigt unter anderem dar, wie dem aggressiven Heidentum zu begegnen ist.

Die Kirche weiß es längst, wie man in stürmischen Zeiten junge Männer zu Priestern ausbildet. In ihrer jahrtausendealten Weisheit baut sie ihre Vorkämpfer Schritt für Schritt, gewissermaßen in Stufen auf. Eine Etappe folgt auf die andere, bis ein junger Mann bereit ist zur heiligen Priesterweihe. Doch welche Etappen gibt es? Welchen Weg legt ein junger Mann zurück, der so großherzig ist, dass er eine Berufung zum heiligen Priestertum prüft? Der Anwärter in Zaitzkofen empfängt zunächst die Soutane – und merkt spätestens beim nächsten Besuch einer größeren deutschen Innenstadt, dass sich etwas verändert hat: In den Augen der Mitmenschen ist er nun eindeutig Repräsentant der Kirche und also auch auf einen entsprechenden Lebenswandel verpflichtet. Ein Jahr später wird er durch die Tonsur in den Klerikerstand aufgenommen und ist so bereit für den Empfang der Niederen Weihen. P. Schreiber wies in seiner Predigt auf ein sinnreiches Detail hin: Wie in vielen Kirchenbauten genau vier Stufen zum Altarraum hinaufführen, so wird der Kirchenmann in vier Niederen Weihen zum Dienst am Altar hinaufgeführt. Das Erreichen jeder Stufe stattet ihn dabei je mit speziellen Gnaden aus, die er für seine Tätigkeit benötigt. Er benötigt diese Gnaden – und wir benötigen ihn! Mancher wird z. B. nach einem Blick auf die verunstaltete Münchener Prioratsfassade erkannt haben, dass die Weihe des Ostiariers – jenes Klerikers, der über das Kirchengebäude wacht – von höchster Aktualität ist; ebenso die des Lektors, der u. a. Menschen in den elementaren Wahrheiten des christlichen Glaubens unterrichtet. Wie nötig ist all dies (wieder) geworden! Und wie nötig ist es, dass junge Männer mit Großmut eine Berufung prüfen, sei es zum Priestertum oder Ordensmann!

Schließlich empfängt der Kandidat die Höheren Weihen und schreitet auf den letzten drei Stufen zum Altar empor, wird Subdiakon, Diakon und – Priester. Dann ist der Gipfelpunkt erreicht, dann kann dem Allerhöchsten das Opfer dargebracht werden, von dem alle Gnaden und jede Erneuerung ausgeht.

Vom Gut-Hirt-Sonntag bleibt u. a. Folgendes: Es ist zutiefst erbaulich, derart viele junge Männer in Soutane zu sehen, die sich vorbehaltlos der Kirche schenken und sich mit Großmut für die Schlachtreihen Gottes gemeldet haben. Danken wir auch all jenen, die durch ihre Gebete und Opfer einen Beitrag zum Aufblühen des Seminars und damit des katholischen Priestertums leisten. Welchen Stand wir auch gewählt haben: Der Münchner Gut-Hirt-Sonntag zeigte, dass gläubiges Volk wie Kleriker sich dort zusammenscharen, wo das Opfer unseres Herrn erneuert wird. Jeder möge auf dieses allesentscheidende Opfer ausgerichtet bleiben; jeder möge an der ihm eigenen Stelle zur Wiederaufrichtung der Königsherrschaft Christi, unseres Guten Hirten, mitwirken.


Herr, schenke uns Priester – Patrona Bavariae, bitte für uns!